Die Tierwelt des Chang Tang

Die weiten grasbedeckten Ebenen des Chang Tang dienen als Weidegründe für viele grosse Tierherden. Die Liste der auf dem Chang Tang beobachteten Säugetiere umfasst etwa 25 Arten. Die bekanntesten dieser Gruppe sind das Wildyak, der tibetische Wildesel (Kiang), die Tibetantilope (Chiru), die Tibetgazelle (Goa), die Pfeifhasen (Pika) und der Schneeleopard. Die vielen Seen des Chang Tang sind wichtige Habitate für viele Vogelarten, auch für sibirische Zugvögel. Die bekanntesten sind Schwarzhalskraniche, Streifengänse, Schneefinken und Bartgeier.

Erlebnisse mit den Tieren des Chang Tang

Chiru

2007-09-24: Der goldbraune herbstliche Grasbewuchs des tibetischen Hochlandes reicht bis an die südlichen Ausläufer des Aksai Chin heran. Wir sehen jetzt auch erstmals Tibetantilopen, die in kleinen Gruppen von bis zu zehn Tieren das Gras als letzte Energiequelle für den nahenden Winter nutzen. Kaum kommen wir über die Kuppe gefahren, rennen sie auch schon mit hoher Geschwindigkeit davon. Diese anmutigen Tiere, meistens treffen wir auf männliche Antilopen mit ihren charakteristischen nach vorne gebogenen langen Hörnern, sind sehr scheu und nur schwer zu fotografieren oder zu filmen. Wir freuen uns, nach den 150 Kilometern eintöniger Hochebene nun wieder Leben in der Landschaft zu sehen.


Wildyak.

Herde Wildesel (Kiang).

Tibetantilopen (Chiru).

Kiang

2007-10-15: Zwei Kiangs rennen in unserer Nähe parallel zur Piste, stets darauf bedacht, den Sicherheitsabstand zu uns nicht zu unterschreiten, aber gleichzeitig auch aus innerer Neugierde in unsere Nähe getrieben. Die beiden Tiere halten auch an, sobald wir eine Fotopause einlegen. Würden wir es auf der kleinen Passabfahrt schaffen, an die 30 Kilometer pro Stunde heranzukommen, eine mit dem Gepäck und dem Anhänger sehr hohe Geschwindigkeit, so würden die Kiangs ohne Schwierigkeiten dieses Tempo gleichermassen mithalten können. Sie hätten wahrscheinlich sogar Spass dabei, sich bei einem Wettrennen mit uns zu messen, und sie würden wohl auch gewinnen.

Yak

2007-09-30: Jetzt entdecke ich ungewöhnlich grosse schwarze Punkte an einem kleinen felsendurchsetzten Hügel. Sollten das Yaks sein? Hier, in einem Gebiet, in dem eigentlich keine Nomaden mehr wohnen? Ich bin gespannt, diesen Tieren näher zu kommen. Wildyaks haben wegen der Wilderei in diesem Gebiet normalerweise eine extrem hohe Scheu vor dem Menschen und eine entsprechend grosse Fluchtdistanz. In einer Entfernung von etwa 500 Metern erkenne ich mit dem Fernglas in der etwa 20 Tiere umfassenden Gruppe auch sieben Kälber. Vielleicht sind es die Kälber, weswegen die Herde nicht schon längst geflüchtet ist.
Ausser dem Menschen kennen Wildyaks keine Feinde. Selbst die Wölfe trauen sich nicht an die Jungtiere, da diese ständig von den erwachsenen Herdentieren bewacht werden. Bei den einzeln im Chang Tang herumziehenden Yak-Bullen muss man sogar mit einem Angriff rechnen, sollte man ihnen zu Nahe kommen. Ich freue mich, dass wir das Glück haben, diese doch eher selten gewordenen Tiere zu beobachten.


Tibetgazellen (Goa).

Pfeifhase (Pika).

Schwarzhalskraniche.

Pika

2007-09-26: Kurze schrille Pfiffe stören plötzlich diese Ruhe. Aus unzähligen Erdlöchern schauen Pfeifhasen heraus, die diese Alarmsignale abgeben und unglaublich schnell wieder in den Löchern verschwinden, als wir uns nähern. Manchmal irrt eins dieser hamsterähnlichen Tiere für ein paar Sekunden auf der Erdoberfläche herum, bis es das richtige Loch gefunden hat. Die Pfeifhasen, auch Pikas genannt, sind Nagetiere etwa halb so gross wie Meerschweinchen und ganz possierlich nett anzuschauen. Wenn wir uns für eine Weile still in die Nähe der Löcher einer solchen Pika-Kolonie setzen, gewinnen die neugierigsten Tiere schnell Zutrauen, und lugen keck aus dem Bau – solange wir uns nicht zu abrupt bewegen.
Die Pikas sind wahrscheinlich die wichtigsten Tiere des tibetischen Hochlandes. Sie erhalten auf den grossen Flächen des Graslandes die Bodenfruchtbarkeit indem sie durch ihre Exkremente und das Einbringen von Heu als Wintervorrat in ihre unterirdischen Gänge die Bodenschichten auflockern und mit Nährstoffen anreichern. Dieses ist in dem rauen Klima des Hochlandes entscheidend wichtig für die Existenz des weiten Grasbewuchses, denn Verrottungsprozesse durch Mikroorganismen laufen sehr langsam ab. Regenwürmer oder andere Bodenwühler, die altes Pflanzenmaterial zersetzen und in fruchtbaren Boden umwandeln gibt es kaum in dieser Region. Das Gras wiederum dient als Nahrungsgrundlage für die wilden oder domestizierten Tierherden. Die Pikas selber sind aber auch Nahrung für eine Vielzahl von Raubtieren, einige von diesen sind sogar spezialisiert auf die Jagd nach ihnen, zum Beispiel der Tibet-Braunbär, der Sandfuchs, der Tibetluchs und einige Falken- und Eulenarten. Die Lebenskreisläufe des Chang Tang hängen somit eng mit diesen niedlichen Nagetieren zusammen.


Schneefink.

Wolfsspur.

Schneeleopardenspur.

Diverse Vögel

2007-10-13: Die offenen Wasserstellen innerhalb dieses Salzsumpfes locken unzählige Vögel an. Am auffälligsten sind die vielen Himalaya-Rotschwänze mit ihrem im Flug erkennbaren weissen Band auf den Schwungfedern.
Ein Pärchen Schwarzhals-Kraniche können wir mit dem Fernglas beobachten. Erinnerungen an die Reise vor zwei Jahren werden wach, als wir das Glück hatten, diese seltenen Vögel bei der Balz zu beobachten.
Einige schnepfenartige Vögel, wahrscheinlich Bekassinen, stochern im weichen Sediment nach Essbarem, wobei wir uns fragen, was dort noch leben kann. Würmer und Schnecken in über 5000 Meter Höhe in einer derartig lebensfeindlichen Salzlauge?
Himalaya-Schneefinken fliegen in kleinen Gruppen im ufernahen Gras auf. Sie ernten die letzten Samenkörner, die der kurze Sommer hinterlassen hat. Immer wieder erfreuen wir uns daran, wie sie in kleinen Schwärmen durch die Landschaft flitzen. Mitte bis Ende Oktober, wahrscheinlich schon in wenigen Tagen, wird der Winter in diese sonnenbeschienene und momentan noch angenehm zu bereisende Region einziehen und fast alles Leben erstarren lassen. Die Schneefinken gehören neben den allgegenwärtigen Kolkraben und einigen Greifvögeln zu den Vogelarten, die ganzjährig im Chang Tang verbleiben.
Etwas enttäuscht sind wir doch, dass die Himalaya-Streifengänse wohl schon ihre Reise über den Himalaya-Hauptkamm nach Süden angetreten haben. Zu gerne hätten wir diese durchaus hübschen Gänse noch einmal beobachtet.